Die TDG-Kernregion umfasste im ursprünglichen Konzept drei Landkreise: Stadt Halle, Saalekreis und den Burgenlandkreis im Süden Sachsen-Anhalts (LSA). Diese wurden 2021 um zwei weitere Landkreise (Mansfeld-Südharz und Anhalt-Bitterfeld) auf das gesamte Mitteldeutsche Revier als Region der Strukturwandelförderung erweitert. Diese Region hat eine Fläche von 5.900 km2 (29 Prozent der Fläche LSA) und 764.000 Einwohner:innen (35 Prozent der Gesamtbevölkerung LSA). Die TDG hat hierzu eine gesonderte Markt- und Potenzialstudie beauftragt, in welcher u.a. die Merkmale der TDG-Region quantitativ und qualitativ aufbereitet wurden. Die Auswahl der TDG-Region wurde maßgeblich anhand der folgenden Merkmale vollzogen:
1: Status quo – Demografischer Wandel
2: Versorgungssituation in der ambulanten Pflege
3: Verkehrsanbindung und Logistik
4: Komplementarität ländlicher und städtischer Raum
5: Betroffenheit strukturellen Wandels durch Dekarbonisierung und Neuausrichtung im Kohleausstieg
Die Landkreise der TDG-Kernregion stehen wirtschaftlich wie gesellschaftlich vor ähnlichen herausfordernden Entwicklungs- und Versorgungsfragen. Die Bündnispartner:innen der TDG haben das Potenzial, durch die Bündelung ihrer Kompetenzen Antworten zu finden.
REGIONALE GESELLSCHAFTLICHE UND WIRTSCHAFTLICHE HERAUSFORDERUNGEN
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland bewegt sich im Spannungsfeld eines wachsenden Bedarfs aufgrund des demografischen Wandels, der begrenzten Kapazität an Fachkräften sowie der Ressourcenlimitation im solidarisch finanzierten Versorgungssystem. Sind im Dezember 2019 4,1 Mio. Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (Destatis 2020: Pflegestatistik 2019), werden es im Jahr 2030 ca. 6 Mio. sein und 2050 ca. 12 Mio. (Berger, R. (2017). Einige Regionen in Deutschland sind schon jetzt besonders von dieser Entwicklung betroffen. Dazu gehört auch das Kerngebiet der TDG, das in den 1990er Jahren einen tiefgreifenden De-Industrialisierungsprozess bewältigen musste und heute zu den strukturschwächsten Regionen Deutschlands zählt. Abwanderungsbewegungen in wirtschaftlich starke Regionen Deutschlands führten zu einem Bevölkerungsverlust an jungen, gut ausgebildeten Menschen. Im Ergebnis ist der Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen von etwa 25 Prozent in der TDG-Region bereits heute besonders weit vorangeschritten und wird bis 2030 voraussichtlich auf über 30 Prozent ansteigen.
Dem wachsenden Bedarf an Gesundheits- und Pflegeversorgung steht der zunehmende Mangel an Gesundheitsfachpersonen gegenüber: In LSA werden in den nächsten 10 bis 15 Jahren bis zu 50 Prozent aller niedergelassenen Mediziner:innen ihre Praxis altersbedingt aufgeben. In der TDG-Region wird eine Versorgungslücke von ca. 60 Prozent für Pflegefachkräfte prognostiziert – die viertgrößte im Bundesgebiet. Der Betreuungsschlüssel in der ambulanten Pflege ist in der TDG-Region zwar insgesamt etwas besser als im Bundesdurchschnitt, jedoch liegt dies an der besseren Betreuungsquote in der Stadt Halle. In der restlichen TDG-Region ist der Betreuungsschlüssel deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt. Auch in der stationären Pflege ist der Betreuungsschlüssel in der TDG-Region schlechter als im innerdeutschen Vergleich. Beides zeigt den Personalmangel in der Pflege in der TDG-Region: Auf überdurchschnittlich viele Pflegebedürftige kommt unterdurchschnittlich wenig Pflegepersonal. Die ungenügende Fachkräfteverteilung verstärkt den Mangel zusätzlich und stellt insbesondere in den ländlich geprägten Ortschaften die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen bzgl. der gesundheitlichen Daseinsfürsorge bereits heute infrage.
REGIONALE BESONDERHEITEN
Auf politischer Ebene ist die Gesundheitswirtschaft einer der fünf prioritären Leitmärkte und wird damit als bedeutender Wirtschaftsfaktor angesehen. Seitens der Gesundheitswirtschaft, mit dem für die TDG interessanten Schwerpunkt Medizintechnologie, sind 63 Prozent der in Sachsen-Anhalt angesiedelten Unternehmen in der Strukturwandelregion des südlichen Landesteils verortet. Zusammen mit dem starken Profil der Pflegewirtschaft bietet die Region für den Pflegeschwerpunkt überdurchschnittlich gute strukturelle Voraussetzungen zur Generierung von Innovationen. Die Universitätsmedizin Halle (Saale) bildet mit ihrem Aufgabenverbund von Forschung, Lehre und Krankenversorgung die Schnittstelle von Wissenschafts- und Gesundheitssystem im südlichen Sachsen-Anhalt und ist zentraler Akteur der Fachkräftesicherung für die Gesundheitsfürsorge in der Region. Mit ihrem Forschungsschwerpunkt „Epidemiologie und Pflegeforschung“ verfügt sie über ein deutschlandweites Alleinstellungsmerkmal. Unterstützend für den Forschungsschwerpunkt wurde im Jahr 2013 das interdisziplinäre und interprofessionelle Profilzentrum Gesundheitswissenschaften (PZG) gegründet, das in Projekten zur wissenschaftsbasierten Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung Vertreter der Allgemeinmedizin, Rehabilitationsmedizin, Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinischen Soziologie, Geschichte und Ethik der Medizin sowie Medizinischen Epidemiologie, Biometrie und Informatik sowie des Universitätsklinikums Halle (Saale) zusammenführt. Die im PZG integrierte und im Department für Innere Medizin angesiedelte Arbeitsgruppe „Versorgungsforschung| Pflege im Krankenhaus“ (AG Versorgungsforschung am UKH) ist eine bundesweit einzigartige Schnittstelle zwischen theoretischen und klinischen Fächern, um Erkenntnisse aus der Versorgungs-, Implementierungs- und Pflegeforschung in die Praxis zu fördern. In LSA ist die Branche der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) mit einem Jahresumsatz von mehr als 2 Mrd. Euro inzwischen zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden, der stetig wächst. Der Sektor zeichnet sich durch Spezialisierung auf Software and Services und innovationsaffine kleinteilige Unternehmensstrukturen aus. Ähnliches gilt für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Unternehmen organisieren sich in der Region in Clusterstrukturen wie dem Cluster IT-Mitteldeutschland im Bereich der IKT oder dem Branchenverband Kreativwirtschaft-Sachsen-Anhalt e.V.. Beide Wirtschaftsbereiche sind erfolgskritisch für die TDG und durch ihre Vertreter:innen im TDG-Beirat berücksichtigt. Sie agieren damit gleichermaßen als Branchen- sowie als TDG-Interessensvertreter:innen. Strukturell verfügen sowohl die IKT als auch die Kreativwirtschaft über eine ausgeprägte Forschungs-, Ausbildungs- und Transferlandschaft. Allein am Standort Halle (Saale) sind elf der 18 außeruniversitären Forschungseinrichtungen Sachsen-Anhalts verortet. Insgesamt sind vier von acht Hochschulen Sachsen-Anhalts in der TDG-Region beheimatet.