- Spannend besetzte Podiumsdiskussion zeigt: In der Gesundheitsversorgung des Landes Sachsen-Anhalt gibt es jede Menge Herausforderungen und daraus erwachsende Chancen.
- Vertreter:innen aus Politik, Leistungserbringern, Wissenschaft und Wirtschaft sprechen sich für mehr Kommunikation, Entbürokratisierung und eine Innovations-Kampagne aus.
“Gesundheitsversorgung in Sachsen-Anhalt – Quo vadis?” lautete der Titel der gemeinsamen Veranstaltung von Techniker Krankenkasse (TK), Univations und dem Projekt Translationsregion für digitalisierte Gesundheitsversorgung (TDG) der Universitätsmedizin Halle am 6. September im Mitteldeutschen Multimediazentrum in Halle (Saale). Die Frage, wohin sich das Gesundheitssystem im Bundesland entwickelt, welche Innovationen möglich und welche notwendig sind, zog sich als roter Faden durch das Event und war bereits zum Auftakt Gegenstand einer spannenden Podiumsdiskussion.
Herausforderungen und Chancen im Gespräch
Auf der Bühne trafen sich Leistungsbringer der Gesundheitsversorgung mit Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zum lebhaften Austausch vor einem Fachpublikum. Schnell wurde dabei deutlich: Es braucht diese Art von Dialog aller beteiligten Akteur:innen.
Zur Diskussion kamen die Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit Telemedizin oder der elektronischen Patientenakte (ePA). So forderte beispielsweise Prof. Dr. Wolfgang Schütte, Vorsitzender der Landes-Krankenhausgesellschaft, dazu auf, für eine Entbürokratisierung an betroffenen Arbeitsplätzen und so für die Umsetzung der ePA zu kämpfen: „Wenn das gut funktioniert, bleibt auch wieder mehr Zeit für Patienten.“
Einen möglichen Umgang mit eventuellen Sicherheitsbedenken beschrieb Dr. Chris Rehse, Gründer der Neotiv GmbH. Das Startup aus Magdeburg hat eine digitale Plattform und kognitive Tests entwickelt, mit denen sich Alzheimer und Demenz zehn bis 15 Jahre vor Ausbruch der Krankheit erkennen lassen. „Wir lassen uns im Hintergrund proaktiv und regelmäßig hacken.“ Der Gründer stellte jedoch auch klar: Eine hundertprozentige Sicherheit werde es bei digitalen Angeboten nie geben.
Um diese jedoch auch zielführend zu entwickeln, brauche es im Bereich Gesundheitsversorgung die Kompatibilität mit bestimmten Schnittstellen. Darauf und auf Komplikationen mit den Kommunikationsdiensten im Medizinwesen machte der kassenärztliche Vorstand Dr. Jörg Böhme aufmerksam. Als Hausarzt im ländlichen Raum sehe er unter anderem in der Telemedizin eine Menge Potenzial. „Telemedizin wird die Versorgung revolutionieren und Arbeitskraft sparen, aber momentan kostet es noch zu viel Zeit, als dass es einen Mehrwert bringt.“
Bedarf an Innovation zur Sicherstellung der Pflege
Offen zeigte sich auch Silke Otto gegenüber Innovationen im Bereich der Pflege. Die Geschäftsführerin der Lutherhof Seniorenresidenz im Park aus Lutherstadt Eisleben arbeitet genau aus diesem Grund mit dem Projekt TDG zusammen. „Wir probieren regelmäßig neue Lösungen aus und schauen, ob es irgendetwas erleichtert“, so Otto. In Ermangelung von Fachkräften gehe es ihr dabei ausdrücklich nicht um das Einsparpotenzial von Mitarbeitenden. „Es geht bestenfalls um Vereinfachungen und erweiterte Angebote, beziehungsweise die Sicherstellung von Angeboten. Im ländlichen Raum reden wir mittlerweile von Sicherstellung der Pflege.“
Sinnvolle Synergieeffekte
Was geschehen muss, bis Versicherte von Innovationen profitieren, skizzierte Steffi Suchant, Leiterin der TK-Landesvertretung Sachsen-Anhalt. „Es braucht die Zulassung als Medizin-Produkt sowie die Verordnung der Ärzte“, sagte Suchant. „Als Kasse dürfen wir weder in die Behandlungs- noch in die Verordnungshoheit der Ärzte eingreifen. Außerdem muss das Produkt natürlich in der Versorgung auch wirtschaftlich und notwendig sein.“ Es gehe darum, anvertraute Versichertengelder so sinnvoll wie möglich einzusetzen, um dabei Synergieeffekte zu erzeugen und Innovationen voranzubringen, schließe man sich auch mit anderen Kassen zusammen.
Geschäftsmodelle aus Herausforderungen entwickeln
Das Wort Probleme ermahnte Moderator und Journalist Marcel Roth während des Talks liebevoll mit einem Herzsymbol, auf dem ein Pflaster prangte. In der Runde lag der Fokus auf Herausforderungen und möglichen Lösungen. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, eine Innovationskultur in unserer Region zu entwickeln“, so Dr. Karsten Schwarz vom Projekt TDG. Die Idee: Jede gelöste Herausforderung kann ein Geschäftsmodell für jemanden sein. „Wir sind in Sachsen-Anhalt europaweit Vorreiterregion, was den demografischen Wandel angeht“, sagte Schwarz. „Das heißt, alle Lösungen, die wir in diesem Zusammenhang entwickeln, lassen sich danach sehr gut exportieren. Wir könnten Exportweltmeister für digitalisierte Gesundheitsversorgung werden.“ Die Voraussetzung dafür sei jedoch das Einbeziehen von Nutzer:innen und anderen beteiligten Akteur:innen.
Kommunikation und Innovations-Kampagne
Man sei auf dem Weg zu einer Digitalisierung im Gesundheitswesen, davon zeigte sich Wolfgang Beck überzeugt. Der Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt stellte im Lauf der Diskussion jedoch auch fest: „Es gibt sehr viel mehr, als wir auf dem Schirm haben. Ich glaube, wir reden darüber zu wenig.“ Er möchte sich zeitnah dafür einsetzen, die Kommunikation zu verbessern und eine Kampagne zu starten, um die Entwicklung von Innovationen zu unterstützen.
Jede Menge Hausaufgaben
Er habe zwar keine direkte Zuständigkeit im Gesundheitsbereich, mit Hausaufgaben ging aber auch Bernd Schlömer, Sachsen-Anhalts Staatssekretär für Digitalisierung im Ministerium für Infrastruktur und Digitales, nach Hause. „Ich nehme auf jeden Fall mit, für eine leistungsfähige digitale Infrastruktur in Sachsen-Anhalt in der Art und Weise zu sorgen, dass Telekonsultation zur Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten zukünftig möglich werden.“ Ganz konkret sollen laut Frequenzversteigerung 98 Prozent der Fläche des Bundeslandes bis Ende 2022 mit LTE versorgt sein. Darauf wolle man in seinem Ministerium aufsetzen und durch massive Investitionen für 5-G-Standards im Land sorgen.
Event als Startschuss
„Ich bin sehr glücklich darüber, dass viele Akteure des Gesundheitswesens in Sachsen-Anhalt in dieser Form zusammengefunden haben“, sagte Mitgastgeberin Steffi Suchant nach dem Talk. „Es ist klar, Reformen brauchen Zeit. Aber Sachsen-Anhalt, insbesondere der ländliche Raum, hat durch die Herausforderungen im Gesundheitssystem wie den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel die Chance, mit seinen Innovationen ein echter Exportschlager zu werden.“ Man müsse prüfen, welche wertschöpfenden Elemente es übergreifend braucht. „Diese Veranstaltung war dafür ein Startschuss mit neuer Qualität“, so Suchant.